Foto vom Netzwerktreffen im Oktober 2020

Netzwerktreffen „Bundesweite Anreize für Rad- und Fußverkehr“ im Rückblick

Beim Netzwerktreffen Mobilität sprachen am 13. Oktober drei Experten rund ums Thema „Bundesweite Anreize für Rad- und Fußverkehr“. Nicht nur im österreichischen Regierungsprogramm erhält Radfahren und Zu-Fuß-Gehen mehr Gewicht als bisher. Auch die Schweiz setzt mit dem Agglomerationsprogramm zum Langsamverkehr seit Jahren auf die bundesweite Förderung von aktiver Mobilität.

Schweizer Agglomerationsprogramme

Als erstes kam Pascal Regli, Projektleiter des Vereins Fußverkehr Schweiz, zu Wort. Das Schweizer Prinzip „Langsamverkehr“ setzt Fuß-/Radverkehr auf die gleiche Ebene wie motorisierten Invidividualverkehr und öffentlichen Verkehr. Seit 2007 gibt es mit den Agglomerationsprogrammen für Gemeinden außerdem die Möglichkeit, Infrastruktur für den Fuß- und Fahrradverkehr durch den Bund mitfinanzieren zu lassen. Sie zielen auf einen nachhaltigen Gesamtverkehr und vor allem auf die Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturen ab. Damit einher geht ein gesamtheitliches Konzept für die Bereiche Verkehr, Siedlung, Landschaft und Umwelt, die aufeinander abgestimmt sein müssen. Pascal Regli erinnert sich:

„Am Anfang hatten die Agglomerationsträger Mühe damit, den Fuß- und Veloverkehr in ihre Überlegungen miteinzubeziehen, inzwischen funktioniert das besser. Mit der Aufwertung des Fuß- und Veloverkehrs als 3. Säule im Personenverkehr ist auch eine Professionalisierung einher gegangen. Als wir mit den Agglomerationsprogramm gestartet sind, fehlten oft noch die Experten und Planer. Mittlerweile ist das anders.“

Teilnehmende beim Netzwerktreffen 2020

Nach drei Generationen dieser vom Schweizer Bund finanzierten Agglomerationsprogrammen kann man sagen: Knapp 20% der finanziellen Mittel sind bisher in Fuß- und Radverkehrsprojekte geflossen. Vor der Etablierung des Programms hatte der Bund keine legalen Möglichkeiten, ebendiese Projekte von Kantonen und Gemeinden finanziell zu unterstützen. Seither ist eine Co-Finanzierung von 30-50% der Realisierungskosten möglich. Als großen Vorteil sieht Pascal Regli die kontinuierliche Weiterentwicklung:

„In der Agglomeration St. Gallen-Bodensee wurden z.B. in der ersten Generation Problemstellenanalysen für den Fuß- und Veloverkehr durchgeführt. Die 740 dabei identifizierten Schwachstellen flossen als Maßnahmenliste mit konkreten Lösungsvorschlägen in die zweite Generation ein.“

Der österreichische Weg

Nicht nur in der Schweiz sondern auch in Österreich sind Städte und Gemeinden wichtige Player, um die Mobilitätswende voranzutreiben. Mit dem neuen Regierungsprogramm erhält Radfahren und Zu-Fuß-Gehen mehr Gewicht als bisher. Lukas Hammer (Nationalratsabgeordneter und Verkehrssprecher der Grünen zur aktiven Mobilität) und Robert Thaler, Leiter der Abteilung Saubere Mobilität (Bundesministerium für Klimaschutz), berichten von der parlamentarischen Arbeit und den Vorhaben der österreichischen Bundesregierung zur aktiven Mobilität.

Robert Thaler betont die Wichtigkeit der beiden nationalen Strategiepapiere Masterplan Radfahren und Masterplan Gehen, die einen wichtigen Grundstein zur nationalen Förderung geschaffen haben. Zweiterer ist fast einzigartig im europäischen Vergleich: Neben der Schweiz (Prinzip „Langsamverkehr“) gibt es nur in Norwegen und Schottland eine ähnliche strategische Basis. Im Bezug darauf weist Robert Thaler auch auf den Modal-Mix hin:

„Wenn wir davon sprechen, dass 7% der Wege mit dem Rad und 19% zu Fuß zurückgelegt werden, stimmt das nur bedingt. Hier werden nämlich nur die Hauptverkehrsmittel erhoben. Die Wege, die zu den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden, fehlen in dieser Berechnung. Wenn man diese auch berücksichtigt, sind wir bei 70% – 80% der Wege, die zu Fuß zurückgelegt werden.“

Diskussion beim Netzwerktreffen im Oktober 2020

Nationale Kompetenzen

Lange Zeit galt Radfahren und Zu-Fuß-Gehen ausschließlich als Angelegenheit der Gemeinden. Mit dem türkis-grünen Regierungsprogramm hat sich das geändert. Eine „eigene Organisationseinheit für Fahrradfahren, Zufußgehen und Barrierefreiheit“ ist dort auf Seite 129 festgehalten. Neben dem Vorhaben, organisatorische Strukturen zu schaffen, betont der Nationalratsabgeordnete Lukas Hammer auch das aktuelle Kommunale Investitionsprogramm (KIP). Damit können seit Juli 2020 Gemeinden für Rad- und Fußwege-Infrastruktur Förderungen vom Bund beantragen. Zum Regierungsprogramm erzählt er außerdem:

„Auch die Novelle der StVO wird immer konkreter. Hier muss die Zielbestimmung umgedreht werden: Statt eines fließenden motorisierten Individualverkehrs muss die aktive Mobilität im Zentrum stehen. Damit einher gehen dann klare Regeln zum Parken und Halten von Autos auf Gehsteigen, eine genaue Definition des Seitenabstands beim Überholen und eine klare Definition von infrastrukturellen Maßnahmen, wie z.B. Schulstraßen.“

Weitere konkrete Vorhaben sieht Robert Thaler in einer gestärkten Multimodalität und dem Forcieren des Prinzips der „kurzen Wege“. Zentral ist auch, dass die Förderung aktiver Mobilität in Betrieben, Schulen und Gemeinden ankommt. Dazu wurden mit den klimaaktiv-mobil-Partnerschaften, die zwischen Bund und Bundesländern geschlossen werden, bereits konkrete Schritte gesetzt. Damit sollen der Ausbau der Radinfrastruktur und Weiterbildungen im Bereich aktiver Mobilität forciert werden. Dass hier Fußverkehr und Barrierefreiheit noch zu kurz kommen, wird in der anschließenden Diskussion deutlich. Sobald die personellen Ressourcen für Zu-Fuß-Gehen und Barrierefreiheit im Klimaministerium geschaffen und ein Querschnittsprogramm zu aktiver Mobilität 2021 initiiert werden, soll sich das aber ändern, betonen Lukas Hammer und Robert Thaler unisono.

Präsentationen zum Download: