Geh-Café rund um den Westbahnhof: Wie man Wohnzimmer vergrößert
Das erste Geh-Café des Jahres 2022 führte uns Ende April in den 15. Wiener Gemeindebezirk. In Rudolfsheim-Fünfhaus konnten sich mehr als 80 Besucher:innen ein Bild davon machen, wie Straßenraum umgestaltet und zu einer vergrößerten Wohnfläche wird. Nicht nur am Dach des neuen Ikea-Hauses.
Eines vorweg: Der 15. Bezirk ist jener, in dem es das geringste Durchschnittseinkommen in ganz Wien gibt. Und es ist der Bezirk in ganz Österreich mit der geringsten Kfz-Dichte. Das sind vielleicht zwei Gründe, warum gerade in diesem Grätzl rund um den Westbahnhof vieles möglich ist, was anders wo undenkbar wäre. Die Menschen haben kleine Wohnungen, wollen also Lebensraum auf der Straße, und sie haben weniger Autos, Parkplätze sind hier nicht so wichtig.
Mehr Grün für die Pelzgasse
Am 26. April trafen sich über 80 Personen in der Pelzgasse, direkt neben dem Westbahnhof. Die Straße war früher ein illegaler Schleichweg für viele Autos. Die Anrainer:innen waren unzufrieden. Bis sich eine Bewohnerin Gedanken gemacht hat. Wo? Natürlich ich ihrem Wohnzimmer, erklärt Birgit Bermann, die mittlerweile Klimaschutzbeauftragte im 15. Bezirks ist.
Im Rahmen dieses Prozesses gab es noch weitere Ideen der Anrainer:innen: so wurde eine helle Pflasterung gewählt, damit sich die Straße nicht stark aufheizt, und es wurden Bäume und Beete geplant, um die sich zukünftig die Bewohner:innen der Straße zu kümmern hatten. Mit Erfolg, wie wir uns ansehen konnten. Auch Außenfassaden wurden begrünt.
Mehr Platz für Schüler:innen
Weiter ging es vor die Leopold-Zechner-Schule. Diese liegt an der kürzlich neu gestalteten Goldschlagstraße. Straßenräume wurden hier neu gedacht. Kfz-Verkehr wurde ausgesperrt, Sitzgelegenheiten, Fußwege, Bäume und auch ein Radweg geschaffen. Generell werden Schulvorplätze im Grätzl verkehrsberuhigt und umgebaut. Diese dienen den Kindern – vielleicht nicht als Wohnzimmer – aber zumindest als Klassen- oder Pausenraum.
Das grüne Hotel
Vorbei ging es dann am Boutique-Hotel Stadthalle. Dieses ist vor allem deshalb interessant, weil die Fassade völlig begrünt ist, wie uns Markus Mondre von der Gebietsbetreuung, der Guide des Geh-Cafés, erklärte:
Am Hotel vorbei und nach einem kurzen Spaziergang kamen wir am Reithofferpark an. Der Park war sehr gut besucht (Stichwort erweitertes Wohnzimmer). Über eine Förderung der Stadt wurden hier neue Bäume gepflanzt. Die Förderung ist für die Bezirke sehr wichtig, denn ein Baum im Stadtraum kostet mindestens 20.000 Euro. Das können sich Bezirke kaum leisten, erklärte Mondre.
Und wieder gelangten wir nach einem kurzen Weg auf einen Schulvorplatz: Vor der Sir-Karl-Popper-Schule an der Felberstraße. Hier wurde ebenfalls einiges neu gemacht, etwa Tische sowie viel Platz für Schüler:innen. Auch Begrünung ist hier ein Thema. Denn: die Stadt ist ein toller Lebensraum für Tiere und Pflanzen, das war vielen Teilnehmer:innen – wie auch mir – nicht bewusst. Birgit Bermann:
Ab in den Süden
Über das breite „Tal“ der Westbahn machten wir uns in den südlicheren Teil des 15. Bezirks auf. Hier wurde bisher noch eher wenig umgebaut, vieles ist aber bereits geplant. Auch für das tiefer gelegene Areal, wo die Westbahn fährt, gibt es Ideen für eine Neugestaltung als Parkanlage. Ob diese umgesetzt wird, ist noch nicht entschieden. Der Neubau des Ikea am Westbahnhof hat im südlichen Teil des Bezirks schon vieles ermöglicht, sagt Markus Mondre.
Am Friedrichsplatz hinter dem Amtshaus, wo sich ebenfalls eine Schule befindet, beginnt im Mai 2022 der Umbau der Straße.
Weiter gingen wir noch vor die Schule in der Gasgasse. Auch dieser Platz wurde von Autos befreit und Pflanzentröge errichtet. Dort gibt es auch ein Wasserspiel – in den Boden eingelassene Wasserdüsen. Es spendet allerdings erst ab 9 Uhr Wasserfontänen, damit die Kinder morgens nicht völlig durchnässt in den Schulunterricht starten.
Ikea am Westbahnhof. Landmark und Dachterrasse
Und weil wir heute so viel über Wohnzimmer gesprochen haben: Ausgeklungen ist das Geh-Café beim neuen Ikea am Westbahnhof. Einer der Architekten des Gebäudes Jakob Dunkl erklärte uns die Pläne und Ideen des Bauwerks, das wir dann betraten. Auf der Terrasse, bei toller Aussicht, gab es dann die wohlverdiente Jause.
Der 15. Bezirk lebt auf und verändert sich gerade.
Wer die Tour nachgehen möchte, findet hier den genauen Weg.