Schloss Schönbrunn

Mark, ein „Held aus der zweiten Reihe“

Für Mark waren der Babyelefant und die Covid-19-Einschränkungen der entscheidende Schritt, mehr Wege zu Fuß zurückzulegen. Seit Herbst nutzt der Angestellte und DJ auch die Wien zu Fuß-App als zusätzliche Motivation. Mit bis zu 30 Kilometern am Tag ist er im Währinger Bezirksranking Woche für Woche vorn dabei.

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Seit wann gehst du vermehrt zu Fuß?

Ich habe vor einem Jahr zum Beginn der Pandemie beschlossen, dass ich mich an die Einschränkungen halten will, aber meine Bewegung nicht einschränken möchte. Daher habe ich entschieden: Statt in die U-Bahn zu steigen kann ich auch gewisse Distanzen zu Fuß gehen. Dabei habe ich die zurückgelegten Distanzen auch von Monat zu Monat gesteigert. Das motiviert mich. Und seit September 2020 nutze ich auch eure App. Mittlerweile bin ich mit der App 2.800 Kilometer gegangen.
Ich habe nie Schwierigkeiten gehabt, dass ich eine Station zu Fuß gehe, wenn mir der Bus davon fährt und ich auf den nächsten 7 Minuten warten müsste. Also da bin ich nicht der, der wartet und in der Kälte friert. Da gehe ich einfach weiter.

Portrait von Marc
© Marc St. James

Welche Wege legst du zu Fuß zurück?

Beispielsweise meinen Arbeitsweg: Ich war vor dem jetzigen Lockdown ein- bis zweimal die Woche im Büro, dazu muss ich aus dem 18. in den 3. Bezirk. Meist fahre ich von Gersthof mit der Straßenbahn bis Schottentor und gehe dann bis zur Landstraße zu Fuß. Und am Heimweg – je nach Wetter – gehe ich entweder den kompletten Weg oder bis zum Schottentor zur Straßenbahn.

An Tagen, an denen ich im Home-Office arbeite, gehe ich nach der Arbeit noch nach draußen, statt mich vor den Fernseher zu setzen. Dazu suche ich mir am Nachmittag dann auch ein kleines Ziel, wie z.B. dass ich mein Kleingeld auf die Bank trage und dort auf mein Konto einzahlen lasse. Dann habe ich ein Ziel und gehe dort hin. Und oft entscheide ich dann auch noch spontan, dass ich noch dort oder da hingehen oder einem Freund Hallo sagen könnte. So ergeben sich die Wege. Ich lasse mich dabei auch oft treiben.

Das klingt, als würdest du dich zu Zielen treiben lassen, und nicht die Bewegung im Vordergrund stehen?

Nein, Bewegung ist für mich wichtig. Auch, weil momentan die Fitnesscenter geschlossen haben. Ein weiteres großes Hobby von mir ist schwimmen, das geht momentan auch nicht. Und als DJ gehe ich normalerweise auch viel aus zum Tanzen. Das sind also drei Faktoren, die ich momentan nicht machen kann, aber ich brauche irgendeinen Ausgleich. In dem Sinn habe ich mir das Gehen zu Herzen genommen und ziehe das ich durch. Dabei  brauche ich ein bisschen Motivation und ein Ziel. Sonst kann sich in dieser aktuellen schwierigen Zeit zu sehr Kopfkino einschleichen. Wenn ich aber raus in die Natur von Ziel zu Ziel gehe, komme ich nicht auf schlechte Gedanken. Es ist also auch ein seelischer Ausgleich.

ein Haus in der Paletzgasse

Fassade in der Paletzgasse in Ottakring, © Marc St. James

Du hast im Vorgespräch erzählt, dass einmal 27 Kilometer an einem Tag zusammenkommen können. Wie sieht so ein Tag aus?

Indem ich in der Früh teilweise, bevor ich zu arbeiten beginne, schon eine kleine Distanz mache, z.B. wenn ich mir ein Frühstück besorge oder eine kleine Runde gehe. Am Wochenende geh ich öfter mit meiner Mama einkaufen, da machen wir eine Runde durch den Bezirk. In der Mittagspause – wie z.B. heute – war’s wunderschön. Da bin ich von mir in Richtung Alszeile gegangen. Jetzt nach der Arbeit bin ich zum Interview zu Fuß gekommen und danach möchte ich noch ins Palais Liechtenstein, wo es einen Markt gibt. Und hin und wieder habe ich einen Termin mit einem Freund, wo ich kurz vorbeischaue. Danach gehe ich dann zu Fuß nachhause. Und auf einmal sind’s 27 Kilometer.

Ist das auch ein durchschnittlicher Tag?

Nein, im Durchschnitt sind es über 10 Kilometer pro Tag. Es gibt zwar auch Tage, wo es nur 3 oder 6 Kilometer sind, aber in der Regel sind es über 10. Damit komme ich im Monat dann auch auf 300 bis 400 Kilometer.

Hast du im Umfeld Menschen, die jetzt auch so viel gehen? Oder bist du Einzelgeher?

Da bin ich ziemlicher Vorreiter. Aber ich hab schon ein paar Leute, die das gern mit mir machen. Einen Freund von mir treffe ich dazu hin und wieder am Freitag. Freitags kann ich nämlich um 12 Uhr Schluss machen. Zum Beispiel letztens vor ein paar Wochen hat er mich abgeholt, und wir sind von mir in den 2. Bezirk zu Fuß gegangen – auch wieder mit einem Ziel von mir, weil ich etwas besorgen musste. Dann war das Wetter noch wunderschön und wir haben im Augarten auf einer Bank ein bisschen geplaudert. Danach bin ich zu Fuß zum Schottentor und dort in die Straßenbahn eingestiegen. So ist wieder einiges zusammengekommen. Man hat gearbeitet, man hat einen Freund getroffen, man hat was erledigt, man hat Bewegung gemacht – ich kann dann stolz und zufrieden ins Wochenende gehen.

Was ist das Schöne für dich am Gehen?

Gerade jetzt, wo die Sonne wieder rauskommt, muss ich nicht so viel anziehen. Außerdem es gibt immer was zu entdecken. Ich bin zwar Wiener, kenne aber viel Ecken von Wien nicht. Und ich schaue gerade jetzt während Corona, dass ich nicht die Hauptstraßen nehme. Stattdessen gehe ich in verzweigten Seitengassen und entdecke Gebäude und Geschäfte. Dabei komme ich oft auf neue Dinge drauf, die ich in der U-Bahn nie sehen würde.

Alszeile im Sonnenschein

Auf der Alszeile, © Marc St. James

Ist es dir auch schon passiert, dass du was in deiner Nachbarschaft entdeckt hast, dass dir bisher nicht aufgefallen ist?

Beispielsweise im Bezirk bin ich auch einmal in Richtung Schafberg gegangen. Ich wusste nicht, dass die ukrainische Botschaft bei uns im 18. Bezirk ist. Und das ist ein riesiges, imposantes Gebäude. Das war beeindruckend, hier wäre ich sonst nie hingekommen. Wenn ich sonst ins Schafbergbad gefahren bin, habe ich den Bus genommen und bin nie in diese Gegend gekommen. Aber bei meinen Nachmittagsspaziergängen bin ich in verschiedene Richtungen gegangen und habe unter anderen die Botschaft entdeckt. Oder ich entdecke auch schöne Häuser und schöne Architektur – davon mach ich dann auch Fotos und verwende sie für Instagram.

Ist dir beim Spazierengehen mal etwas Überraschendes passiert?

Wenn man z.B. an einer Demonstration vorbeikommt. Mein Arbeitsweg führt auch über den Stephansplatz und dort waren auch immer wieder Spontankundgebungen – regierungsbezogen und „Free Assange“. So etwas sieht man so nicht, wenn man U-Bahn fährt. Da erspare ich mir teilweise auch die Nachrichten, wenn man selber vorbeigegangen bin. Das ist recht witzig eigentlich.

Gibt’s einen Lieblingsort, wo du gern zu Fuß gehst?

Bei mir im Bezirk sicher den Türkenschanzpark oder Pötzleinsdorf. Ansonsten gehe ich wirklich gern von mir in die Stadt rein – also von Gersthof Richtung Schottentor. Ich habe auch Freunde in allen Bezirken in Wien. Wenn es passt, scheue ich mich auch nicht vom Gasometer zu Fuß heimzugehen. Das ist angenehm, weil es gerade Strecken sind. Wenn ich zu späterer Stunde gehe, sind auch keine Leute auf der Straße. Dabei kann ich Musik hören und einfach geradeaus durchgehen. Ich höre nämlich am Weg das ein oder andere Set und komme so auch musikalisch als DJ auf neue Gedanken und neue Musik. Oft höre ich ein ganzes Set beim Gehen, das ist dann auch eine schöne Reise.

Hast du Set-Tipps für unsere LeserInnen?

Ja, sicher. Ich bin in der eletronischen Musik zuhause. Wenn man das mag, ist dieses Set oder jenes Set ein guter Einstieg. Und ich finde, die sind auch gut zum Gehen geeignet.

Schloßpark Schönbrunn

Schloßpark Schönbrunn, © Marc St. James

Inwiefern motiviert dich die Wien zu Fuß-App und der Bezirkswettbewerb darin?

Naja, es ist schon so, dass ich immer schaue, wo ich im Ranking liege. Und natürlich ist es ein bisschen eine Genugtuung, wenn ich auf Platz 3, Platz 2 oder Platz 1 bin. Ich bin auch ein ehrgeiziger Mensch, da nutze ich die Motivation der „Helden aus der zweiten Reihe“, ich muss nicht Nummer 1 sein. Aber natürlich ist es eine Motivation, wenn ich sehe, dass ich ganz vorne im Bezirk bin.

Welche Tipps hast du für Menschen, die jetzt anfangen, mehr zu gehen? Wie sollen sie am besten starten?

Wie ich mich auch an schlechten Tagen motiviere: Ich nehme mir – wie schon erwähnt – ein kleines Ziel, also z.B. dass ich das Kleingeld auf die Bank trage oder dass ich gern ein Magazin lesen will. Dann motiviere ich mich, rauszugehen, um das zu besorgen. Das muss dann ja nicht in der Trafik um Ecks sein, sondern z.B. die Trafik am Gürtel oder am Schottentor. Und so habe ich dann ein kleines Ziel erreicht und mir das Magazin gekauft. Letztendlich habe ich aber nicht nur das Ziel erreicht, sondern auch etwas körperlich getan, anstatt in der Wohnung nach dem Home-Office zu versumpern. Schon allein für die Augen und die Konzentration sind Luft und Bewegung gut.