Alltag in alten Adelshäusern

ca. 2h 0m
7.5 km
Bhf. Liesing (Regionalzug, S-Bahn, Bus 60A, 61A, 62A, 64A, 66A)
Rodauner Straße (Bus 60A)
barrierefrei
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Der Spaziergang zu den Schlössern Liesings und Rodauns stammt aus Christina Rademachers Buch „Auf den Spuren von Prunk & Pomp – Unterwegs zu den schönsten Schlössern in und um Wien“.

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Von Wasser zu Stein..

Wien ist reich an Schlössern und Schlössln, von denen viele wenig beachtet am Straßenrand stehen. Dieser Spaziergang durch den 23. Bezirk führt zu den Schlössern Liesing und Rodaun, zum Hofmannsthal-Schlössl und schließlich zum Friedhof Kalksburg, wo der Dichter Hugo von Hofmannsthal begraben wurde. Der Spaziergang stammt aus Christina Rademachers Buch „Auf den Spuren von Prunk & Pomp – Unterwegs zu den schönsten Schlössern in und um Wien“, das im Pichler Verlag erschienen ist.

Vom Bahnhof Liesing links über den Liesinger Platz, links in die Perchtoldsdorfer Straße zum Schloss Liesing, hinter dem Sommerbad rechts in die Khekgasse, nach dem Unterqueren des Aquädukts links in die Pumgasse, vor dem Friedhof Rodaun rechts in die Leinmüllergasse, durch den Engelbert-Schliemann-Park zur Ketzergasse, links in die Schillerpromenade, rechts über die Brücke und den Fußweg durch die Wohnhausanlage
zur Hochstraße, queren und geradeaus weiter durch die Kaltenleutgebner Straße, rechts in die Willergasse, vorbei am Schloss Rodaun zum Rodauner Kirchenplatz, über die Stiege hinunter und unterhalb der Kirche zurück zur Willergasse, links in die Ketzergasse zum Hofmannsthal-Schlössl, Liesingbach am Stelzersteig queren, links am Promenadeweg am Bach entlang, rechts in die Haselbrunnerstraße, rechts in die Breitenfurter Straße zum Marienheim, links in die Eisenberggasse, rechts in die Zemlinskygasse, links in den Friedhof Kalksburg bis zum Grab Hofmannsthals, zurück zur Zemlinskygasse und stadteinwärts zur Rodauner Straße, rechts zur Bushaltestelle.

Schloss Liesing Heil- und Erziehungsanstalt

Auf moderne Architektur in historischem Rahmen trifft man, nachdem man vom Bahnhof Liesing in die Perchtoldsdorfer Straße eingebogen ist. Das neue Altersheim dient einem Zweck, der im Schloss Liesing Tradition hat: Aus dem einstigen feudalen Wasserschloss wurde schon 1857 eine Pflege-, Heil- und Erziehungsanstalt. 1878 übernahm es die Gemeinde Wien und baute das Schloss mit einem neuen Versorgungsgebäude zu einem Altersheim aus. Nach dem Abriss dieses Gebäudes hat man freien Blick auf das Schloss, das auf einen stattlichen mittelalterlichen Gutshof zurückgeht.
Mit dem Sommerbad findet sich neben dem Schloss eine sportliche Einrichtung mit Tradition: Hinter dem monumentalen Gebäude, das die Schwimmbecken gegen die Perchtoldsdorfer Straße abschirmt, gehen die Liesinger schon seit den 1920er-Jahren baden. Noch länger fließt das Wasser über die mächtigen Bögen des Aquädukts, der das Tal der Liesing seit der Eröffnung der I. Wiener Hochquellenwasserleitung 1873 überspannt und in der Unteren Aquäduktgasse als imposante Schatten werfender Fahrbahnteiler fungiert.
In der Geschichte des Friedhofs Rodaun, der seit 1799 westlich des Aquädukts an der Leinmüllergasse liegt, findet sich ein kurioses Detail: Als 1941 in der ehemaligen Totenkammer des Friedhofes eine ständige Aufbahrung eingerichtet wurde, gab man einen elektrischen Anschluss zur Beleuchtung in Auftrag, weil Stearinkerzen „aus kriegswirtschaftlichen Gründen“ so sparsam wie möglich verwendet werden sollten.
Als wolle er den Weg zum Wienerwald verkürzen, liegt der Engelbert-Schliemann-Park als kleine Oase westlich des Friedhofs zwischen Wohnhäusern und Straßen. Benannt wurde er nach einem ehemaligen Ortsvorsteher Rodauns. Die Statue im Park, ein barhäuptiger Bärtiger mit himmelwärts gewandtem Blick, zeigt allerdings einen Heiligen: Der römische Soldat Donatus soll während der Markomanneneinfälle an der Donau dem Verdursten nah gewesen sein und flehte inbrünstig um Regen. Beim prompt einsetzenden Gewitter zerstörte praktischerweise ein Blitzschlag das Lager der Gegner. Nun wird Donatus als Patron gegen Unwetter, Hagel und Feuerbrunst angerufen. Unter seinem Schutz gelangt man hoffentlich trocken und durch eine Rast beim Heurigen möglicherweise vor dem Verdursten bewahrt zum Schloss Rodaun.

Hofmannsthal-Schlössl

Bis hierher reichte der Arm des Heiligen offenbar nicht: Wo uns das Schloss statt seiner langen Geschichte zunächst seine Zukunft in Gestalt eines modernen Zubaus entgegenhält, stand schon einmal ein Trakt, der jedoch 1918 durch ein Feuer zerstört wurde. Damals war es schon 20 Jahre lang im Besitz der Schwestern von Sancta Christiana, die aus dem mittelalterlichen Anwesen der Herren von Rodaun eine Internatsschule machten.
Im Gegensatz zum Schloss, das im Lauf vieler Jahrhunderte immer wieder umgebaut wurde, ist die Bergkirche Rodaun aus einem Guss: Eleonore von Sauberskirchen hieß passenderweise die Besitzerin der Herrschaft Rodaun, die die Kirche von 1739 bis 1745 auf einem künstlichen Plateau von etwa zwölf Metern Höhe errichten ließ. Mächtige Fundamentpfeiler waren nötig, um den reinen Barock zu tragen, in dem heute viele Hochzeitspaare das angemessene Ambiente für den schönsten Tag im Leben sehen.
Die Hochzeit mit Gerty Schlesinger war auch für Hugo von Hofmannsthal der Anlass, nach Rodaun zu kommen – und dort bis zu seinem Tod 28 Jahre später wohnen zu bleiben. Im Jahr 1900 mietete das Ehepaar das später unter seinem Namen bekannt gewordene Hofmannsthal-Schlössl in der heutigen Ketzergasse 471. Bauherrin dürfte knapp 150 Jahre zuvor Caroline Fürstin von Trautson gewesen sein, die das Grundstück 1755 gekauft hatte. Später ein Geschenk Maria Theresias an ihre Obersthofmeisterin Maria Karoline Gräfin Fuchs, war es mit Stuckdecken aus dem 18. Jahrhundert, Fresken, Louis-seize-Möbeln und Gemälden stilvoll ausgestattet, als das Ehepaar Hofmannsthal einzog.
Um den Wind abzuhalten, der durch die Ritzen des alten Holzportals wehte, ließ Hofmannsthal zusätzlich eine Glastür einbauen. In eine der Scheiben hat einer seiner beiden Söhne seinen Namen geritzt: „FRANZ“. Während das Bubenstück die Zeit überdauert, hat sich der Urheber mit 26 Jahren das Leben genommen – künstlerisch unbegabt, hatte Franz von Hofmannsthal im Leben nicht recht Fuß fassen können. Als Hugo von Hofmannsthal zur Beerdigung aufbrechen wollte, erlitt er einen Schlaganfall und starb nur zwei Tage nach seinem Sohn. Bestattet wurden beide nicht weit entfernt vom Hofmannsthal-Schlössl auf dem Friedhof Kalksburg.
Auf dem Weg dorthin sollte man noch zweimal innehalten, auch wenn der Zahn der Zeit sowohl am Gasthaus Stelzer als auch am Gartenpavillon Stefan Zweigs genagt hat. An das Gasthaus, das nur wenige Schritte entfernt vom Hofmannsthal-Schlössl stand, erinnert außer einer Gedenktafel nichts mehr, obwohl das sog. „Wirthaus von Österreich“ um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert einer der beliebtesten Treffpunkte der Wiener Gesellschaft war. Wo damals nicht nur die Gasthaus-, sondern auch die Gerüchteküche brodelte, steht seit 1966 eine schmucklose Wohnhausanlage.
Über ein Brücklein und die Fußgängerpromenade am anderen Ufer des Liesingbachs erreicht man die Haselbrunner Straße. Nr. 10 ist die ehemalige Adresse eines anderen Dichters, den Hofmannsthal gern besucht hat: Stefan Zweig verbrachte die Sommer der Jahre 1916 und 1917 in Rodaun.
Etwas lauter wird es an der Breitenfurter Straße. Rechts liegt das Marienheim der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Borromäus, links scheint es geradewegs in den Himmel hinaufzugehen: Die Eisenberggasse besteht aus unzähligen Stufen. Hat man sie bewältigt, wird man mit einem schönen Ausblick für das Konditionstraining belohnt. Am Rand der Weinberge liegt der kleine Friedhof Kalksburg. Der Hauptweg führt direkt auf das Grab der Familie Hofmannsthal zu: zwei Steinbänke rechts und links, in der Mitte am Boden eine steinerne, von nur einem schmalen Streifen Grün umrahmte Grabplatte und dahinter eine breite Wand aus Stein. Grabkerzen auf dem Boden flankieren zwei Verse, mit denen Hofmannsthal als knapp 20-Jähriger sein Gedicht „Manche freilich“ beendet hat: „Und mein Teil ist mehr als dieses Lebens/Schlanke Flamme oder schmale Leier.“

Mehr über die Schlösser, ihre einstigen Besitzer und ihre derzeitige Nutzung erzählt Christina Rademacher in ihrem Buch „Auf den Spuren von Prunk & Pomp“, dem dieser Spaziergang in einer gekürzten Fassung entnommen wurde. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad werden mit Hilfe detaillierter Karten und Beschreibungen die schönsten Schlössern in und um Wien erkundet. Portofrei bestellt werden kann das Buch beim Pichler Verlag.