Bewegung in der Stadt: Vom Schwedenplatz bis zum Hauptbahnhof
An einem der ersten warmen Samstage im Jahr 2018 ist Autor Guntram Münster durch den ersten und dritten Bezirk zum Hauptbahnhof spaziert. Dabei hat er laut FitnessApp 360 Kilokalorien verbraucht und jede Menge in der Stadt entdeckt: vor allem wie mensch sich in der Stadt bewegt (und vielleicht auch was sie bewegt).
Der Spaziergang ist aus der Sicht von Guntram Münster beschrieben.
Bewegung in der Stadt
Unsere Gesundheit steht und fällt mit dem Stehen und Gehen. Wer täglich mehr Zeit auf den Beinen verbringt als er sitzt, hat die besseren Blutwerte, eine geringere Erwartung für Herz- Kreislauferkrankungen, Diabetes, Demenz, Depression und vieles mehr, als ein Sportler der täglich eine Stunde intensives Training absolviert und den Rest des Tages im Büro, im Auto oder sonst wo sitzt. Bei gleichem Kalorienverbrauch bringt lange, wenig intensive Bewegung mehr Gesundheitsvorteile als kurze Phasen intensiver Aktivität. (Das soll nicht bedeuten dass Krafttraining nicht gut für die Gesundheit ist. Nur nicht für die meine.)
Auf unserem heutigen Spaziergang habe ich laut FitnessApp 360 Kilokalorien verbraucht und dabei bin ich an zahlreichen Fitnessstudios zufrieden vorbeigegangen.
Die Stadt ist voller Menschen die ihrem Bewegungsdrang nachgehen wollen, und oft finden sie dafür die wunderlichsten Orte.
Wir beginnen am Schwedenplatz und schlendern am Franz-Josefs-Kai Richtung Urania.
Am Badeschiff kurz vor der Aspernbrücke kann mensch seine Bahnen im 27 Meter langen Pool schwimmen, danach im aufgebauten Fußballkäfig eine runde Kicken gehen, und das sogar kostenlos, um dann im Laderaum ein Runde zu Kegeln bevor er auf der anschließenden Party das Tanzbein schwingt. Bleiben wir kurz stehen, und schauen den Fußballern zu.
Am Rotenturmufer, direkt davor, joggen, walken, gehen und radeln in den fünf Minuten mindestens dreißig Leute vorbei. Hier ist alles in Bewegung.
Die einzigen die Sitzen, außer den Autofahrer*innen, sind ein paar Tourist*innen die sich im Vienna Sightseeing Bus, der vorbeirauscht, durch die Stadt kutschieren lassen. Was meinen Sie, „Hop On – Hop Off“ ist nicht wirklich sportlich? Mir bleibt es ein Rätsel wie ein Stadt entdeckt werden will, wenn das ganze Dazwischen nur im Eiltempo an einem vorbeizieht.
Die Citybikestation ist ausgebucht.
Skaten am Georg-Coch-Platz
Ein Stück den Stubenring hinauf finden wir gleich die nächsten Sportler*innen: Am Georg-Coch-Platz wird geskatet – heißt das so? Die Akrobaten am Rollbrett haben den Platz für ihre waghalsigen Tricks erobert. Ich sehe ihnen fasziniert zu. Sie scheinen das Zusehen zu genießen. Auf die Frage ob sie öfter hier skaten, antwortet einer der Skater: „Wir sliden hier. Zum Grinden sind zum Beispiel die Rails vor dem Bundesrechenzentrum gut. Auf der Map mit den Skatelocations in Wien findet man zig coole Spots in der ganzen Stadt.“
Ich gehe davon aus sie haben alles verstanden und wir wechseln die Straßenseite.
Link zur Map mit Skatelocations: http://www.sk8.at/spots/skatespots-in-wien_9640
MAK barrierefrei
Vor dem Eingang zum MAK-Shop hängt ein Schild das Gehbehinderten den Weg zu einem barrierefreien Eingang weist. Das rollstuhlfahrende Icon sticht mir sofort ins Auge. Ein, mit seinem Rollstuhl verschweißtes Strichmännchen, wie wir es von Behindertenparkplätzen gewöhnt sind, hat ausgedient. Dieses Icon ist dynamisch und schiebt seinen Rollstuhl selbständig. Aktive Mobilität macht selbstbewusst und unabhängig und sie will bewegungseingeschränkten Menschen nicht abgesprochen werden. Ich würde mich freuen wenn dieses frische Icon sich rasch in unserer Stadt verbreitet.
(http://accessibleicon.org/)
Tanzend durch den Friedrich-Gulda-Park
Über die Weisskirchnerstraße erreichen wir die Landstraße. Die vielen Schanigärten haben bereits geöffnet und laden zum gemütlichen in der Sonne Sitzen. Ein Straßenmusiker hat sich einen Sessel geschnappt und sich an den Fahrbahnrand gesetzt. Sonst gibt es hier nämlich weit und breit keine Sitzgelegenheiten. Die Hausordnung von The Mall verbietet das längere Verweilen in seinem Außenbereich sogar explizit. Wer hier sitzen will, der will auch was bestellen.
Wir sind ja nicht zum Sitzen hergekommen und landen links via Sünnhofpassage in der Sechskrügerlgasse und gleich wieder links (da gibt es einen Durchgang) landen wir im Friedrich-Gulda-Park. Einige Kinder hüpfen wie wild auf den Klaviertasten hin und her. Der Weg durch den Park gleicht - zu Ehren des Komponisten Gulda - einer Klaviatur. Zum Spielen braucht es eben keinen Spielplatz, sondern einfach nur Platz. Im Kopf jucken mich die Beine und heimlich hüpfe ich den Flohwalzer mit. Für mehr hat es bei mir nicht gereicht.
„Discgolf Putten“ im Arenbergpark und Radparken in der Rudolfsstiftung
Über die Pfarrhofgasse kann man beim Borg durchschlüpfen und kommt vorbei am Ziehrerplatz zum Arenbergpark. Auch hier finde ich viele Menschen die sich aktiv bewegen. Ein schöner Spielplatz, ein Fußballplatz und im großen Gemeinschaftsgarten mit 26 Hochbeeten beginnt das Garteln. Wer Lust auf Golf hat kann sich hier beim „Discgolf Putten“ versuchen. Das ist eine Kombination aus Frisbee und Golf. Die Wurfscheibe muss, natürlich mit möglichst wenig Würfen, einen Korb treffen. Eine große Anlage mit 14 Bahnen ist im Prater. (https://vienna-hurricanes.com/parcours/links-2/ )
Die Arenbergasse führt in die Juchgasse. Wenn ich nicht zu Fuß gehe bin ich in Wien meist mit dem Fahrrad unterwegs, weshalb mich der Neid frisst, als ich mir die Radboxen vor der Rudolfsstiftung ansehe. Das sind versperrbare Luxusgaragen fürs Radl. In meinem Wohnhaus werden Radfahrer*innen leider nicht so wohl bedacht. Unser Radkeller muss über zwei Treppen durch eine selbstschließende Brandschutztüre erreicht werden. Schade. Dabei werden Radabstellplätze auf Privatgrund in Wien mit gutem Geld gefördert. Geistige Notiz: Zu Hause einen Brief an die Hausverwaltung schreiben!
(https://www.wien.gv.at/amtshelfer/verkehr/strassen/privatflaeche/fahrradstaender.html)
Gehen bis fast zur Gehgagasse und dann ans Ziel
Wir umrunden die Rudolfstiftung und biegen in die Stanislausgasse ein. Die Treppe zum Fasanmarkt hinauf sieht vielversprechend aus. Gemütliche Sitzbänke und große Pflanztröge teilen sich hier den Platz mit hübsch verteilten Autoabstellplätzen.
Wir wandern die Fasangasse hinauf bis wir den Gürtel überqueren und oben im Schweizergarten landen. Ein Stück entlang den begrünten Straßenbahnschienen fast bis zur Gehgastrasse gehen, um dann den gesamten Schweizergarten genüsslich durchqueren zu können.
Die Karl-Popper-Straße bringt uns schlussendlich zu unserem Ziel, dem Hauptbahnhof. Hier trennen wir uns. Auf dem Weg über die Treppen hinunter zur U-Bahn, die mich nach Hause bringt, nehme ich mir fest vor während der ganzen Fahrt zu stehen.
Guntram Münster, der Autor (und Spaziergänger) stellt sich vor:
Mein Name ist Guntram Münster und ich bin 1994 von Voralberg mit Auto zum Studieren nach Wien gekommen. Langsam und heimlich hat sich Wien in mein Herz geschlichen und ich will hier auch nie wieder weg. Auto habe ich schon lange keines mehr, und vom leidenschaftlichen Bergwanderer wurde ich zum lustvollen Spaziergeher. Diese Stadt will zu Fuß erobert werden. Es gibt noch so viele Strassen, Gassen, Eckerln und Plätze, die auf mich warten.